Der CEO der ndF-Gruppe: Matthias Walther (Bild: ndF/Daniella Hehmann)
Auf stolze 75 Jahre blickt die ndF zurück. Blickpunkt:Film sprach mit Geschäftsführer Matthias Walther über die Positionierung des Unternehmens im Jubiläumsjahr und in Zukunft, über die Zusammenarbeit mit Eric Welbers bei ndF International und die Neugründung LAX.
Sie haben gerade erst mit einer legendären Party 75 Jahre ndF gefeiert. Wie würden Sie das Jubiläumsjahr mit Blick auf die ndF-Historie einordnen?
MATTHIAS WALTHER: Wir haben uns in der langen Firmengeschichte sehr konsequent weiterentwickelt und haben heute ein breites Portfolio. Bedenkt man, dass die ndF in den Ruinen eines völlig zerbombten München gegründet wurde, von drei jungen Cineasten, die nach Möglichkeiten gesucht haben, den ersten Nachkriegsfilm in der Besatzungszone zu drehen, wird einem bewusst, dass das Fundament der ndF „Leidenschaft“ heißt. Diese Leidenschaft haben wir uns erhalten, und darauf sind wir sehr stolz. So lag es nah, dass wir unser Jubiläum feiern wollten. Diese Party war natürlich auch ein Signal, mit dem wir zeigen wollten, dass wir da sind, dass wir sehr viel machen und den Markt, wie er sich heute präsentiert, nicht nur als große Chance wahrnehmen, sondern für ihn auch viel zu bieten haben.
Wo würden Sie die ndF innerhalb der deutschen Produzenten-Landschaft verorten?
MATTHIAS WALTHER: Ich sehe uns als gut funktionierenden mittelständischen Produktionsbetrieb, der seine Unabhängigkeit sehr schätzt und bewahren möchte. Unsere Entscheidungen treffen wir daher immer vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Betrachtungen, stellen aber auch die Frage, ob ein Projekt zu uns passt. Gleichzeitig ist natürlich auch die Frage wichtiger geworden, zu wem wir passen, denn der Markt wird größer und Kooperationen damit notwendiger. Wir waren lange ein klassischer Auftragsproduzent und sehen uns jetzt mit neuen Möglichkeiten konfrontiert, die wir selbstverständlich wahrnehmen, zumal wir auch die Ressourcen dafür haben. Aber wir machen dies sehr besonnen. Wir müssen nicht die Ersten sein, die etwas Neues machen. Man könnte uns als mittelgroßes Schiff beschreiben, das gerne in der Mitte des Flusses bleibt. Dabei sind wir auch durch schwierige Zeiten geschippert.
Zum Beispiel?
MATTHIAS WALTHER: Ich erinnere an die Kirch-Pleite, Leo Kirch hielt damals 95 Prozent der ndF. Dann gab es zwei geniale Geschäftsführer, Claudia Sihler-Rosei und Hansjörg Füting, die die Idee zu einem Management-Buy-out hatten, was uns erst diese Freiheit, mit der wir heute arbeiten können, ermöglicht hat.
Wie passt in dieses System der Unabhängigkeit das jüngst geschlossene Joint Venture mit ZDF Studios?
MATTHIAS WALTHER: Sehr gut, denn mit dem ZDF verbindet uns ebenfalls eine lange Tradition sehr erfolgreicher Formate seit vielen Jahren. Mit unserem Partner ZDF Studios wollen wir diese Tradition fortsetzen. Dabei blicken wir auf eine vertrauensvolle Partnerschaft, in der wir gemeinsam die zukünftigen Herausforderungen definieren und daran mit den Möglichkeiten, die die ndF bietet, beteiligt sein dürfen. Dies ist ein großer Vertrauensbeweis der uns entgegen gebracht wird und uns weiter verbindet.
Ihr langjähriger Partner Eric Welbers hat die ndF-Geschäftsführung verlassen. Heißt das, salopp formuliert, weniger „Schwarm“ mehr „Morden im Norden“ – mit allem Respekt für die Vorabendserie?
MATTHIAS WALTHER: In keiner Weise. Unser Fokus bleibt neben linearen Formaten und Senderbeauftragungen auch auf das internationale Koproduktionsgeschäft gerichtet. Eric Welbers‘ Rückzug bedeutet ja nicht, dass da jemand die Segel gestrichen hat. Wir sprechen von einer Umstrukturierung. Diese Umstrukturierung trägt dem Umstand Rechnung, dass wir eine neue Situation im Markt haben und uns darauf konzentrieren, wer was am besten kann. Mit Viola Fischer-Weiss haben wir eine kaufmännische Geschäftsführerin hinzugewonnen, damit dieser Teil, den früher Eric Welbers und ich gemeinsam verantwortet haben, konkret durch eine Person, mit der wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten und die über eine kolossale Erfahrung verfügt, ausgefüllt wird.
Können Sie die Motivation hinter diesem Schritt etwas näher erläutern?
MATTHIAS WALTHER: Wenn man am internationalen Koproduktionsgeschäft teilnimmt, ist der Aufwand, den man heute im kaufmännischen Bereich betreiben muss, enorm. Das reicht von steuerlichen Betrachtungen bis zu einem deutlichen Mehr an Anforderungen seitens der Banken. Die kaufmännische Geschäftsführung ist von der ersten Sekunde eines Projekts dabei, um die vielen verschiedenen Informations- und Kommunikationsströme zu steuern. Die umfangreichen Anforderungen seitens der Berufsgenossenschaften, der Finanzämter, Themen wie Compliance und Datenschutz sind im steten Wandel und haben eine enorme Bedeutung, darum muss das bestmöglich begleitet werden. Zudem möchten wir durch unsere durchaus interessante und breite Konzernstruktur die Synergie-Effekte auch im administrativen Bereich optimal nutzen und sind dafür nun sehr gut aufgestellt.
Und wie verläuft jetzt die Zusammenarbeit mit Eric Welbers?
MATTHIAS WALTHER: Mit der Veränderung in der Geschäftsführung haben wir nicht die bisherige Projektierung aufgegeben. Eric geht in der hauptsächlich von ihm betriebenen ndF International der Antwort auf den „Schwarm“ genauso nach, wie er weitere Großprojekte vorantreibt. Die ndF International wird weiterhin von seiner Erfahrung und seiner weitreichenden internationalen Vernetzung profitieren – produzentisch, aber auch in Bezug auf Vertriebswege. Dafür braucht man Zeit und Energie, dafür muss man sich fokussieren – und diese Fokussierung haben wir vorgenommen.
„Der Schwarm“ ist in aller Munde. Wie sehr strahlt dieses Großprojekt auf die ndF ab?
MATTHIAS WALTHER: Enorm. Das ist ein Mammutprojekt, auf das wir extrem stolz sind. Nicht nur wegen der Historie vom „Schwarm“ – dieser gewaltige Bestseller galt lange Zeit als unverfilmbar -, auch im Zusammenhang mit der Aktualität des Stoffes. In einer Situation, in der wir gerade dabei sind, die einzige Heimat, die wir haben, zu verbrennen, hat das Thema unsere volle Aufmerksamkeit verdient. Frank Schätzing hat damit vor vielen Jahren schon den Finger in die Wunde gelegt. Für den „Schwarm“ gab es auch schon Kinopläne. Irgendwann kam der Stoff dann über die Rechteinhaber in Richtung ndF geschwommen.
Welchen Anteil hat die ndF an der Verfilmung?
MATTHIAS WALTHER: Also ohne die Vision von Eric Welbers, aus dem Buch eine Serie zu machen, und seinem Engagement Frank Schätzing für dieses Vorhaben zu gewinnen und starke Partner für die Realisierung zu finden, würde es das Projekt sicherlich nicht geben.
Frank Zervos hat gegenüber Blickpunkt: Film schon angedeutet, dass eine Fortsetzung auf jeden Fall eine Option darstellt.
MATTHIAS WALTHER: Das kann ich nur unterschreiben!
Sie haben gerade die Tochterfirma LAX Entertainment gegründet. Steht dahinter der Gedanke, stärker mit neuen Playern in Kontakt zu kommen und Programm für junges Publikum, wonach ja alle suchen, zu machen?
MATTHIAS WALTHER: Das ist eine gute Beobachtung. Charlotte Groth und Maximilian Greil sind zwei junge Mitarbeiter, die schon länger für uns als Junior-Producer oder Producer arbeiten und die wir als sehr begabt und sehr verlässlich wahrgenommen haben. Der Gedanke war, mit Ihnen gemeinsam etwas Neues zu probieren. Ihre Lust für die gewachsene Angebotslage nach eigenen Antworten zu suchen, wollen wir unterstützen. Beide sind Ludwigsburg-Abgänger, die ihre eigenen Kontakte nutzen. Gleichzeitig sind sie in einen funktionierenden Betrieb eingebettet. In dieser Kombination liegt die große Chance. Die Firma soll dabei sehr selbständig agieren und aus ihrer Sicht mit ihrem Programm dem Markt die Antworten liefern, nach denen er sucht. Die Idee kam von Charlotte und Max, die als Producer aber auch noch einige Projekte bei uns im Haus haben.
Macht dafür ein eigenes neues Label mehr Sinn als ein Ausbau der ndF-Marke?
MATTHIAS WALTHER: Bei uns haben die Beiden gesehen, wie Serie geht, das ist sicher von Vorteil. Wir wollen den Beiden die Chance geben, auch außerhalb der ndF ihren Aufschlag zu machen. Trotzdem sind sie in einem starken Verbund, durch den sie operativ Schwung entwickeln können. In der Sprache, in der Beobachtung, im Verständnis von Lebensentwürfen gilt es, Raum zu geben. Das ndF-Label brauchen sie nicht, wir sind sicher, dass sie als LAX überzeugen können.
Das TV-Geschäft ist durch die Dualität von linearer und non-linearer Nutzung geprägt. Wie wirkt sich das auf ihre langlaufenden Formate wie „Bergdoktor„, „Bergretter„, oder „Morden im Norden“ aus?
MATTHIAS WALTHER: Wir freuen uns über jeden Auftrag fürs lineare Fernsehen, weil wir glauben, dass das episodische Erzählen eine ganz eigene Qualität hat. Das Grundgerüst, die Statik einer solchen Serie in Verbindung mit Figurenkonstellationen erlaubt, dieses episodische Erzählen fast unendlich lange zu betreiben. Hinter diesem Denken des Langfristigen steckt sehr viel Erfahrung. Dass die Konsumenten die Sendungen inzwischen in der Mediathek vorfinden und auch mehrere Folgen am Stück anschauen können, birgt enorme Möglichkeiten. Wir können nun die Horizontalen viel ausgeprägter erzählen, da sich die Programme zunehmend auch zum Dauerschauen eignen, verlassen dabei aber nicht das Episodische. In dieser Kombination zu denken und Stoffe zu entwickeln, ist ein großer Reiz.
Gibt es bei den langlaufenden Formaten eines, um dass Sie sich Sorgen machen müssen?
MATTHIAS WALTHER: Ich sorge mich um jedes Format, denn hinter jeder dieser Serien steckt sehr viel Arbeit. Jeden Tag stellt man sich als Beteiligter die Frage, wie kann ich das Format weiterdenken.
Man las, dass sich „Bergdoktor“ Hans Sigl womöglich verändern wolle, was natürlich durch sein Engagement bei RTL für eine eigene Quiz-Show befeuert wurde.
MATTHIAS WALTHER: Gerüchte gibt es jeden Tag. Wir wissen auch, wie Schlagzeilen Hefte verkaufen. Das betrachten wir nicht. Wir betrachten die Pflege unserer Zusammenarbeit, die Notwendigkeiten und Wünsche, die es gibt. Da sind wir im stetigen Gespräch mit unseren langjährigen Partnern, seien es Ingo Naujoks und Sven Martinek bei „Morden im Norden“, Sebastian Ströbel bei den „Bergrettern“ oder Hans Sigl. Natürlich immer sehr individuell, um die Lust am Programm zu bewahren. Solange die Programme von den Sendern gewünscht werden, solange sie so gemacht werden können, dass sie funktionieren, haben alle Lust weiterzumachen.
Also sind Sie optimistisch alle seriellen Formate über 2023 hinaus fortsetzen zu können?
MATTHIAS WALTHER: Ja. Da bin ich absolut optimistisch, dass das funktioniert.
Kann man Ihre neuen Formate „Hotel Mondial“ und „Mordsschwestern“ als Beleg oder Indiz für die Zukunft des linearen Fernsehens werten?
MATTHIAS WALTHER: Bei den Sendern, öffentlich-rechtlich oder privat, sehen wir das Interesse auch bei neuen Formaten linearer zu erzählen. Deshalb werden wir das auf keinen Fall vernachlässigen. Beide Formate sind so ausgelegt, dass man sie auch in der Mediathek gut auswerten kann. Darüber hinaus betrachten wir beide Formate als großen Vertrauensbeweis, der uns entgegengebracht wird. „Hotel Mondial“ setzt auf ein großes Ensemble, bei „Mordsschwestern““liegt der Fokus auf den beiden Hauptfiguren. Wenn beide Formate vom Publikum angenommen werden, haben sie die Aussicht auf ein langes Serienleben.
Über „Hotel Mondial“ hat man noch nicht viel erfahren. Was erwartet das Publikum, eine neue Interpretation der Familienserie?
MATTHIAS WALTHER: Es ist eine Ensemble-Serie, die sich mal humorvoll, mal dramatisch um den Arbeitsalltag in einem 4-Sterne Hotel dreht. Dabei liegt der Focus neben den Geschichten, die die Hotelgäste mitbringen, auch auf dem Personal des Hotels und ihren starken, horizontal erzählten Geschichten. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau, gespielt von Joy Ewulu, die im Hotel nicht nur arbeiten möchte, sondern auch ihrer eigenen Familiengeschichte auf die Spur zu kommen versucht. Die Serie spielt in Schwerin, wo wir gerade die Außenaufnahmen abgeschlossen haben. Die Innenaufnahmen entstehen in Geesthacht. Es entstehen zwölf Folgen à 45 Minuten für den ZDF-Sendeplatz mittwochs 19.25 Uhr und die drehen wir in drei Blöcken bis Ende September. Voraussichtlich schon Anfang nächsten Jahres soll die Serie dann auf Sendung gehen.
Die ndF ist inzwischen ja viel mehr als reine TV-Fiction. Wie wichtig sind weitere Standbeine wie der Doku-, Entertainment- oder Animationsbereich?
MATTHIAS WALTHER: Darauf liegt ein extrem starker Fokus. Wir arbeiten intensiv an der Entertainment-Schiene. Es gibt nach wie vor die ndF Entertainment, die vor Jahren sehr erfolgreich war, dann aber etwas eingeschlafen ist. Die reaktiveren wir jetzt mit René Carl und seinem Team. Nachdem die Kollegen die vielbeachtete Doku „Alles auf eine Karte – Der Wettlauf um den Impfstoff“ produziert haben, kommt nun am 8. September eine weitere Dokumentation. In „37 Grad: Unser Wunschkind und der Krieg. Leihmutterschaft in der Ukraine“ sehen wir eine sehr bewegende Reportage über eine hochdramatische Situation. Im non-fiktonalen sind wir mit unserer Tochterfirma Securitel zudem ja auch schon seit vielen Jahren im Markt und produzieren das erfolgreiche Format „Aktenzeichen XY… ungelöst“.
Mit „Aktenzeichen XY…“ haben Sie im Grunde der True-Crime-Welle vorgegriffen.
MATTHIAS WALTHER: Der Erfolg liegt darin begründet, dass das hervorragend produziert ist und alles sehr real und glaubwürdig wirkt. „XY““gibt es seit 55 Jahren, das hat inzwischen seine Übersetzung in andere Formate gefunden. Insofern ist es naheliegend, dass wir diesen Bereich weiter ausbauen. Und natürlich schauen wir auch darauf, wie man das, was wir fiktional und non-fiktional zu erzählen haben, kombinieren kann. Für uns ist eine 360°-Betrachtung immer ein interessanter Gedanke. Hier haben wir die Möglichkeit, mit einem Ansatz fürs Fiktionale auch das tatsächlich Geschehene mitzuerzählen und aus einem Gedanken zwei werden zu lassen. In diesem Zusammenhang freue ich mich sehr darüber, dass es uns gelungen ist, eine Option für die Verfilmung der neuen Michael-Tsokos-Justizkrimireihe zu erhalten, deren Geschichten auf wahren Fällen basieren.
Sehr interessanter Ansatz. Können Sie in dieser Richtung noch mehr ankündigen?
MATTHIAS WALTHER: Gerade für Event-Movies oder fiktionales Programm, basierend auf wahren Geschichten, werden Begleit-Dokumentationen immer wichtiger und interessanter. Es hat sich gezeigt, dass das Publikum dafür sehr offen ist und so macht es für uns natürlich Sinn, dieses Begleitprogramm direkt mitanzubieten.
Das Interview führte Frank Heine